Was ist die Komponentenanalyse?

Goethe hat im Gespräch mit Eckermann (im März 1828) erklärt, bei einem literarischen Werk müsse man unterscheiden zwischen dem ,,Geist des Ganzen", der dem Dichter durch einen Einfall komme, und dem ,,sichtbaren Leib und Körper", mit dem er diesen für die Augen von Dritten gestalte. Die allermeisten literaturwissenschaftlichen Methoden sind auf den ,,sichtbaren Leib und Körper" bezogen. Die Werkinterpretation thematisiert darüber hinaus auch den ,,Geist des Ganzen", bleibt dabei aber infolge des Mangels an einem rationalen Kriterium dem subjektiven Gutdünken verhaftet.

Das Phänomen des ,,Geistes des Ganzen" oder des ,,Sinnganzen" wurde der Rationalität geöffnet durch Walter Falks These, daß es notwendig in sich selbst gegliedert ist durch eine Dreiheit von Sinnkomponenten, d.h. durch ein ternäres Strukturmuster.

Der rationale Grundbezug führte zur empirischen Erkundung und exakten Beschreibung von Operationen, die bei der Analyse eines Textes erforderlich sind, um den ,,sichtbaren Leib und Körper" eines Werks derart zu durchleuchten, daß erkennbar wird, welche individuelle Ausprägung das universale komponentiale Strukturmuster im konkreten Einzelfall erfahren hat.

Die Rationalität dieses Verfahrens - der Komponentenanalyse - erlaubt es, daß Analysen auch in Gruppenarbeit durchgeführt werden können. Die Rationalität des Verfahrens erlaubt weiterhin die methodische Überprüfung der Analyseergebnisse und gegebenenfalls auch deren Korrektur durch Dritte.

Die Komponentenanalyse ist kompatibel; sie kann mit anderen analytischen Methoden kombiniert werden.

Die Komponentenanalyse kann nicht nur im akademischen Bereich, sondern - mit entsprechenden Vereinfachungen - auch im Schulunterricht eingesetzt werden. Es liegen positive Erfahrungen vom Grundschulbereich bis zur gyrnnasialen Oberstufe vor.

Während das Literarische einer Dichtung an ihrem ,,sichtbaren Leib und Körper" zum Ausdruck kommt, hat der ,,Geist des Ganzen" und mit ihm die komponentiale Sinnstruktur einen vorliterarischen, ja vorsprachlichen Charakter. Die komponentiale Analyse führt also über den Bereich der Dichtung hinaus.

Von den formelhaft faßbaren Ergebnissen komponentialer Analysen hat sich gezeigt, daß sie in einer bestimmten Zeit bei Werken der verschiedensten Autoren gleichartig sind. Das bedeutet, daß sie auf eine kollektiv erfahrene Snnmöglichkeit verweisen. Diese aber wird von einem bestimmten Zeitpunkt an durch eine andere abgelöst. So führen komponentiale Analysen zur Erkenntnis eines geschichtlichen Zusammenhangs und eines exakt bestimmbaren Voranschreitens der Geschichte.